Perle des Sauerlands

Das Leben und Streben des Arno Freund

Das Sauerland ist als Wiege vieler bemerkenswerter Persönlichkeiten bekannt, vom Forstwissenschaftler Bernhard Danckelmann bis hin zu Friederich „Fritz“ Honsel, dem legendären Gründer der Honselwerke in Menschede. Doch kein Sauerländer – nicht einmal der Obergeometer Johann Nikolaus Emmerich, der als langjähriger Gesamtleiter der Katasterkommission in Groß-Umstadt für Furore sorgte – kann auf eine derart ungewöhnliche Laufbahn verweisen wie Arno Freund.

 

Geboren wurde Arno Winfried Maria Freund am 18. April 1974 in Völlinghausen an der Möhne. Dank der verkehrsgünstigen Lage an der Kreisstraße 8, dem Naturschutzgebiet Erlenbruch mit seinem reichen Vorkommen an Wachteln und Ziergeflügel und der malerisch gelegenen, nach dem Belebtschlammverfahren betriebenen Kläranlage der Ruhrenergiegenießt das Örtchen damals wie heute einen ausgezeichneten Ruf, der weit über das Hochsauerland hinausreicht.  

 

Arnos Vater Helmut Freund, später Anlageberater bei der Kreisverbandssparkasse in Medebach, und seine Mutter Wiebke, geborene Kolshusen, die fünfundvierzig lang als Handarbeits- und Sachkundelehrerin an der Heidberg-Grundschule in Völlinghausen wirkte, hatten sich 1964 beim Kreisjugendsingen in Schmallenberg kennen und lieben gelernt. Nur ein Jahr später folgte die Verlobung, 1965 dann die Eheschließung in der St. Peter- und Paulskirche zu Wormbach. Auch Kindersegen stellte sich in Form von Stammhalter Klaus-Dieter (geboren 1967) und Töchterchen Bertha (Jahrgang 1969) bald ein. 

 

Warum Nachzügler Arno ausgerechnet diesen – für das mittlere Sauerland doch einigermaßen exotischen – Vornamen erhielt,  ist rasch erzählt: Mutmaßungen, wonach ihr Sohn in Florenz, an den Ufern des Flusses Arno, gezeugt worden sein soll, weisen Helmut und Wiebke bis heute mit verschämtem Lächeln zurück.  Der Vorname Arno reflektiert vielmehr die Zuneigung der Eltern zum „Oberen Arnsberger Wald“, einem unspektakulären, von Grauwacken und Feldspat geprägten Höhenrücken des Rheinischen Schiefergebirges. „Speziell die Hirschberger Blöße, eine kleinteilige naturräumliche Untereinheit mit der Ordnungsnummer 334.33 innerhalb des Nordsauerländer Oberlandes, hatte es mir als Sachkundelehrerin immer schon angetan“, weiß Wiebke Freund zu erzählen. 

 

Angesichts dieser einschlägigen elterlichen Interessen vermag es kaum zu verwundern, dass sich der kleine Arno in der Grundschule nicht nur in Rechnen, Religion und Schönschreiben, sondern auch in Heimatkunde hervortun sollte. Am Realgymnasium in Bödefeld-Hunau setzte er seine glänzende Schullaufbahn fort – wobei die Begeisterung für Jungscharausflüge und das organisierte Pfadfinderwesen sein Interesse an der Schule bisweilen fast zu überschatten drohte. „Da haben sich meine armen Eltern manchmal ganz schön Sorgen gemacht“, meint Arno zu dieser turbulenten Lebensphase, die er im Rückblick selbst als „meine wilden Jahre“ bezeichnet.

 

Doch spätestens in der Sekundarstufe verlief dann alles wieder in geordneten Bahnen – und nach dem Abitur 1992 setzte Arno Freund zielstrebig die nächsten Karriereschritte. „Ich hatte immer schon zwei ganz große Leidenschaften“, verrät er, „die Bilanzbuchhaltung und die Versicherungsbürokratie. Nun stand ich vor einer schwerwiegenden Entscheidung: Welche der beiden Laufbahnen sollte ich einschlagen?“ Doch es wäre nicht Arno Freund, hätte er dieses Dilemma nicht, mit typisch sauerländischem Optimismus, zu seinen Gunsten gewendet: Am Ende erfüllte er sich seinen großen Traum – und schloss einfach beide Berufsausbildungen ab. 

 

Nachdem er als Juniorberater bei der Provinzial-Versicherung Michael Schneider in Drolshagen sowie in der Kontrollabteilung eines mittelständischen Unternehmens der Futtermittelindustrie in Saalhausen reichhaltige Berufserfahrungen gesammelt hatte, war es Ende März 1999 soweit: Arno Freund wagte den großen Sprung – und machte sich als Bilanzbuchhalter selbständig! „Damit hatte ich endlich meine wahre Berufung gefunden“, erzählt er lachend. „Ich kann mir nicht helfen, aber Buchführung, Kostenrechnung und Liquiditätsanalysen finde ich einfach ziemlich knorke J!“

 

Bis heute ist die Begeisterung für Bilanzpositionen, Eigenkapitalquoten und Saldierungsbuchungen ungebrochen. Doch wer nun glaubt, Arno Freund wäre lediglich ein Mann der nüchternen Zahlen, der irrt: Denn abseits des Berufslebens folgt er vielfältigen Interessen, bei denen er seiner Kreativität so richtig freien Lauf lassen kann. Besonders viel Freude bereiten ihm die wöchentlichen Chorproben mit den Sauerländer Goldkehlchen, einem gemischten Klangkörper mit breitem Repertoire, in dem er für seinen glockenhellen Tenor geschätzt wird. „Wir singen vor allem Volks- und Kirchenlieder aus dem frühen 19. Jahrhundert, aber auch moderne, peppig arrangierte Nummern, zum Beispiel von ABBA, Michael Jackson und Helene Fischer“, schwärmt Arno. Seiner Begeisterung für schwungvolle Klänge frönt er übrigens auch als aktives Mitglied der Musikkapelle Remblinghausen e. V., in der er seit 1997 das zweite Waldhorn bläst.  

 

Dass Arno überdies der sprichwörtliche Schalk im Nacken sitzt, beweist er u. a. als Schriftführer und stellvertretender Kassenwart bei der Karnevalsgesellschaft Hirschberg, die mit ihrem Schlachtruf „Drache Siup!“ von Närrinnen und Narren in ganz Westfalen geschätzt wird. Und als ob all das noch nicht genug wäre, schnuppert Arno Freund auch noch regelmäßig Bühnenluft – etwa bei den Karl-May-Festspielen auf der Freilichtbühne in Elspe, wo er in der Herbstsaison 2003 einen „elektrisierenden Kara Ben Nemsi“ gab, wie der Theaterkritiker des „Sauerländer Beobachters“ damals meinte. 

 

Seine verbleibende Freizeit verbringt Arno gern mit Spielen in geselliger Runde, am liebsten mit Mühle, DKT und SimCity. Und über seiner Märklin-Eisenbahn kann er schon einmal die Nacht zum Tage machen … 

 

So experimentierfreudig sich Arno bei seinen Hobbys gibt, so traditionsbewusst zeigt er sich im kulinarischen Bereich: „Bei Mutti schmeckt’s einfach am besten“, meint er genießerisch. Besonders  bei deftiger sauerländischer Hausmannskost wie Rouladen mit Mettwurstfüllung, Kartoffeleintopf mit geriebenen Möhren oder Reibeplätzchen mit Apfelmus kann Arno kaum widerstehen. Dazu trinkt er am liebsten eine große Himbeerschorle. „Aber bitte nicht mit zu viel Soda“, fügt er rasch hinzu. „Davon bekomme ich nur Bauchgrimmen und saures Aufstoßen“. 

 

Apropos: Daran, wie er zum ersten Mal in Kontakt mit dem Schreibclub kam, kann sich Arno Freund noch ganz genau erinnern: „ Es war im Oktober 2005. Der Schreibclub suchte damals nach einem zuverlässigen Finanzbuchhalter mit Erfahrungen im künstlerischen Bereich“, berichtet er. „Ich las das Inserat im Iserlohner Kreisanzeiger und dachte mir sofort: Arno, das ist was für dich! Mir fehlten zwar die verlangten Kenntnisse im Abfressen und Herumpoltern auf B2-Niveau, aber so etwas kann man ja auch ‚on the job‘ lernen, ne? Also habe ich mich einfach beworben – und sofort den Zuschlag erhalten“.

 

Wie sich später herausstellen sollte, war Arno der einzige Bewerber: Alle anderen hatten angesichts der prekären budgetären Lage und der kriminellen Vorgeschichte des Schreibclubs einen weiten Bogen um den Buchhalterposten gemacht – zumal dem Club just zu dieser Zeit der nächste Prozess wegen fahrlässiger Krida und groben Finanzunfugs drohte. 

 

Doch Arno Freund gelang das scheinbar Unmögliche: Er steuerte das im Kentern begriffene Schreibclubschiff wieder in ruhige Gewässer, brachte die Finanzen in Ordnung und sorgte mit Wischmop und Holzpolitur dafür, dass der Schreibclub auch äußerlich wieder einen halbwegs anständigen Eindruck machte. 

 

Im Zuge dieser Tätigkeiten erhielt Arno natürlich einen profunden Einblick hinter die Clubkulissen– und musste bald feststellen, dass die gefälschten Bilanzen, die schlampig ausgefüllte Arbeitnehmerveranlagung und die zu Unrecht bezogene Pendlerpauschale nur die Spitze des Eisbergs waren. Seit dieser Zeit gilt er als schärfster Kritiker des Schreibclubs, dem er neben vielen weiteren Verfehlungen vor allem sexuelle Ausschweifungen, fehlende Tischmanieren und die minderwertige Qualität seiner Produkte vorwirft (lockere Schuhsohlen, untaugliche Würste, explodierende Autos).

 

Von den anderen Schreibclubmitgliedern fühlt sich Arno oft missverstanden und unfair behandelt, ja regelrecht gemobbt: Dass er samstags zur Abendmesse geht und zudem eine Ministrantengruppe in Neheim-Hüsten leitet, trägt ihm zum Beispiel den Spott des gottlosen Kannibalen Klippo Kraftwerk ein; der grimmige Arbeiterführer Much Estrichleger verachtet Arno Freund als, Zitat, „kleinbürgerlichen Schrebergarten-Reaktionär, der sich sogar im spießertechnisch reich gesegneten Sauerland durch seine besondere Miefigkeit und Piefigkeit hervortut“, Zitat Ende. Schreibclub-Clown Pippo Zanzani wiederum wirft Arno seine angebliche Humorlosigkeit vor („An den ist jedes Furzkissen verschwendet!“), während Schreibclub-Präsidentin Amber Hauswein den naiven Sauerländer mehrfach unter Drogen gesetzt und für niedrigste Liebesdienste missbraucht haben soll. Trost findet Arno Freund höchstens bei Schreibclubhund Fuffi, den er liebevoll entlaust, kastriert, onduliert und von einem ansteckenden Bandwurmbefall kuriert hat.

 

Warum Arno dem Schreibclub trotz des überaus rauen und unwirtlichen Betriebsklimas bis heute treu geblieben ist? Diese Frage stellt selbst erfahrene Schreibclub-Experten vor ein Rätsel. „Masochistische Neigungen kann ich bei Freund eigentlich nicht erkennen“, meint DDr. Roland Deigendesch vom Institut für Höhere Schreibclubstudien in Reutlingen. „Ich glaube, dass ihn vor allem der tiefsitzende Wunsch antreibt, in einer chaotischen Welt so etwas wie Ordnung zu stiften. Und wo wäre ein größeres Chaos denkbar als beim Schreibclub? Auf mich wirkt es fast so, als würde Freund die Demütigungen des Clubs brauchen, um in seiner Persönlichkeit reifen und wachsen zu können“. Deigendeschs These wird in der modernen Schreibclubwissenschaft freilich höchst kontrovers diskutiert.

 

Umgekehrt steht in Fachkreisen außer Frage, dass der Schreibclub seinerseits auf Arno Freund dringend angewiesen ist – als mahnende Stimme der ökonomischen Vernunft, als notwendiges Korrektiv und wegen seiner unbestreitbaren Fähigkeiten an Staubwedel und Scheuerbürste. Mehr noch: Dass der Schreibclub überhaupt noch kreditwürdig ist und sogar sein Mike-Sparbuch bei der Volksbank behalten durfte, hat er einzig und allein Arno Freund zu verdanken. Nicht nur in der Liste großer sauerländischer Persönlichkeiten, sondern auch auf der Ehrentafel des Schreibclubs sollte ihm daher ein stets ein besonderer Platz gebühren. 

 

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